Einkommensteuer

Unbeschränkte Steuerpflicht (§ 1 Abs. 1 S. 1 EStG)

Die unbeschränkte Steuerpflicht einer natürlichen Person setzt einen Wohnsitz § 8 AO bzw. gewöhnlichen Aufenthalt § 9 AO im Inland voraus.

Wohnsitz

Merkbox:

Nach § 8 AO hat jemand einen Wohnsitz dort, wo er eine Wohnung innehat unter Umständen, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird (AEAO zu § 8 – Wohnsitz „Allgemeines“).

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Die Frage der Wohnungsbegründung ist, anders als im bürgerlichen Recht (§§ 7, 8 BGB), im Steuerrecht nur nach tatsächlichen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu beurteilen. Eine Wohnung setzt eingerichtete stationäre Räume voraus, die – mindestens im Sinne einer bescheidenen Bleibe – für den Steuerpflichtigen auf Dauer zum Wohnen geeignet sind. (AEAO zu § 8 – Wohnsitz „Wohnung“)

Wenn der Steuerpflichtige lediglich einige Räume zum Unterstellen seiner Möbel nutzt, so liegt keine Wohnung vor. Der Wohnsitz setzt i. d. R. eine angemessene, den Lebensbedürfnissen des Inhabers entsprechende Wohnung voraus. Eine nur kurzfristige, lediglich vorübergehende oder eine notdürftige Unterbringungsmöglichkeit erfüllt nicht den Wohnungsbegriff. Ein möbliertes Zimmer kann eine Wohnung darstellen. Auch ein Hotelzimmer (bei einem Dauermietverhältnis), ebenso wie Gemeinschaftsunterkünfte bei Polizei und Streitkräften können eine Wohnung darstellen.

Wohnwagen und Zelte stellen keine Wohnung dar. Ebenso wird bei einem gelegentlichen Übernachten auf einem inländischen Betriebsgelände bzw. in einem Büro kein Wohnsitz begründet (BFH BStBl. 1985 II S. 331).

§ 8 AO setzt für eine Wohnsitzbegründung nicht voraus, dass sich der Lebensmittelpunkt der Interessen an diesem Ort befindet (BFH vom 24.07.2018, I R 58/16, BFH/NV 2019, S. 104)

Der Wohnsitzbegriff erfordert das Innehaben einer Wohnung. Dies ist gegeben, wenn der Steuerpflichtige über die Wohnung objektiv rechtlich und tatsächlich die Verfügungsmacht besitzt, d. h., die Wohnung muss ihm jederzeit (wann immer er es wünscht) als Bleibe zur Verfügung stehen. Beim Auseinanderfallen der rechtlichen und tatsächlichen Verfügungsmacht stellt das Steuerrecht auf die tatsächliche Verfügungsmacht (wirtschaftliche Betrachtung) ab.

An der objektiven Eignung fehlt es bei sog. Standby-Wohnungen oder -Zimmern (z. B. von Flugbegleitern), wenn aufgrund von Vereinbarungen oder Absprachen zwischen den Wohnungsnutzern die Nutzungsmöglichkeit des Steuerpflichtigen derart beschränkt ist, dass er die Wohnung oder das Zimmer nicht jederzeit für einen Wohnaufenthalt nutzen kann.

Die Wohnungsnutzung muss weder regelmäßig noch über eine längere Zeit erfolgen. Erforderlich ist aber eine Nutzung, die über bloße Besuche, kurzfristige Ferienaufenthalte bzw. unregelmäßige kurze Aufenthalte zu Erholungs- oder Verwaltungszwecken hinausgeht. Es ist nicht erforderlich, dass der Steuerpflichtige sich während einer Mindestzahl von Tagen oder Wochen im Jahr zu Wohnzwecken in der Wohnung aufhält. Auch unregelmäßige Aufenthalte in einer Wohnung können zur Aufrechterhaltung eines dortigen Wohnsitzes führen (BFH vom 24.07.2018, I R 58/16, BFH/NV 2019, S. 104).

Ehegatten, die nicht dauernd getrennt leben, haben grundsätzlich einen gemeinsamen Wohnsitz, der sich dort befindet, wo die Familie wohnt. Ob ein Ehegatte aus beruflichen oder persönlichen Gründen von der Wohnung unregelmäßig oder sogar ein ganzes Jahr lang keinen Gebrauch macht, ist ohne Belang.

Kinder teilen dann den elterlichen Wohnsitz, wenn eine Beziehung zur elterlichen Wohnung vorhanden ist, die über die allein durch das Kindschaftsverhältnis begründete Beziehung hinausgeht und erkennen lässt, dass das Kind die elterliche Wohnung nach wie vor auch als seine Wohnung betrachtet und nicht nur besuchsweise, sondern auch sonst, z. B. bei Krankheit, in die Wohnung der Eltern zurückkehrt. Dies gilt insbesondere, wenn es sich um volljährige Kinder handelt.

Minderjährige Kinder, die bei den Eltern wohnen, haben deren Wohnung inne bis zu einer erkennbaren Aufgabe derselben.

Beispiel:

Der verheiratete Jörg Dreher ist von seinem Arbeitgeber für 3 Jahre nach Hongkong versetzt worden. Ihm gehört ein Einfamilienhaus (EFH) in München.

  1. a) Die Familie geht mit nach Hongkong. Während der Abwesenheit kümmert sich die Haushälterin um das EFH.
  2. b) Das EFH wird für die 3 Jahre vermietet.
  3. c) Die Familie begleitet Herrn Dreher nicht nach Hongkong, sondern wohnt weiterhin in dem Münchner EFH.

Lösung:

Im Fall a) hat Herr Dreher weiterhin die Sachherrschaft über die Wohnung (hier: EFH). Er hat somit einen Wohnsitz (§ 8 AO) im Inland inne.

Im Fall b) hat Herr Dreher die Sachherrschaft (durch die Vermietung) aufgegeben, der Mieter hat nun die Sachherrschaft (tatsächliche Verfügungsmacht) über das EFH. Herr Dreher hat keinen Wohnsitz inne.

Fall c) entspricht Fall a).

Weiterhin ist Voraussetzung, dass der Steuerpflichtige die Wohnung beibehalten und benutzen wird, d. h., es muss nach dem Gesamtbild der Verhältnisse wahrscheinlich sein, dass der Steuerpflichtige die Nutzung der Wohnung zu Wohnzwecken auch in Zukunft fortsetzen wird. Auch ein Ferienhaus, das immer wieder regelmäßig genutzt wird, kann eine Wohnung darstellen. Unterbrechungen des Aufenthalts sind unerheblich, insbesondere wenn es wegen einer Ausbildung oder der Berufsausübung dazu kommt (auswärtiger Aufenthalt).

Wer eine Wohnung von vornherein in der Absicht nimmt, sie nur vorübergehend (weniger als sechs Monate) beizubehalten und zu benutzen, begründet dort keinen Wohnsitz (BFH vom 30.08.1989, I R 215/85, BStBl. 1989 II S. 956).

Die Frage, ob die Tatbestandsmerkmale der Wohnsitzbegründung erfüllt sind, muss nach den Verhältnissen des jeweiligen Veranlagungszeitraums geprüft werden.

Beispiel:

Tina, die 21-jährige Tochter eines Frankfurter Industriellen, studiert in New York. Es ist geplant, dass sie nach Ablauf ihrer Studienzeit zu ihren Eltern nach Frankfurt zurückkehrt.

Lösung:

Tina ist für die Dauer ihres Studiums unbeschränkt einkommensteuerpflichtig, da sie ihren Wohnsitz in der elterlichen Wohnung durch das auswärtige Studium nicht aufgibt.

Beispiel:

Flugkapitän Ernst Herz, dessen Familie (Ehefrau und Kinder) in Hanau wohnt, fliegt überwiegend Transkontinentalstrecken. Er kommt nur in größeren Zeitabständen nach Hanau zu seiner Familie zurück.

Lösung:

 

Ernst Herz unterhält einen Wohnsitz (= Familienwohnsitz) in Hanau. Er ist wie seine An-gehörigen unbeschränkt einkommensteuerpflichtig.

Gewöhnlicher Aufenthalt

Merkbox:

Den gewöhnlichen Aufenthalt hat jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt (§ 9 S. 1 AO).

Der gewöhnliche Aufenthalt kommt als Entscheidungskriterium für die unbeschränkte Steuerpflicht erst zum Zuge, wenn es an einem Wohnsitz mangelt. „Gewöhnlich“ ist in diesem Zusammenhang gleichzusetzen mit „dauernd“. Erforderlich ist keine ununterbrochene, sondern eine nicht nur vorübergehende Anwesenheit (BFH vom 30.08.1989, I R 215/85, BStBl. 1989 II S. 956).

Voraussetzung ist die Stetigkeit des Aufenthaltes, d. h. auch Übernachtung im Inland.

Beispiel:

X betreibt einen Gewerbebetrieb in Aachen. Sein Wohnsitz befindet sich in Belgien nahe der deutschen Grenze. Nach Geschäftsschluss kehrt er jeden Abend nach Hause zurück.

Lösung:

X ist in Deutschland nicht unbeschränkt steuerpflichtig. Er begründet keinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, da es an der erforderlichen Stetigkeit mangelt.

Beispiel:

Der französische Musicalstar A hält sich anlässlich eines Gastspiels vom 03.02.01 bis 30.10.01 ununterbrochen in der Bundesrepublik Deutschland in den verschiedensten Hotels auf.

Lösung:

A ist unbeschränkt einkommensteuerpflichtig. Durch den Aufenthalt wird zwar kein Wohnsitz begründet, es handelt sich aber, da die sechsmonatige Frist überschritten ist, um einen gewöhnlichen Aufenthalt.

Beispiel:

Ein Niederländer mit Wohnsitz in Holland arbeitet in der Bundesrepublik und kehrt nur zum Wochenende zu seiner Familie nach Holland zurück. Die Nächte zwischen den Arbeitstagen bleibt er im Inland.

Lösung:

Der Steuerpflichtige ist kein Grenzgänger, sondern unterhält einen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland.

Als gewöhnlicher Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes ist stets und von Beginn an einen zeitlich zusammenhängenden Aufenthalt von mehr als sechs Monaten Dauer anzusehen; kurzfristige Unterbrechungen bleiben unberücksichtigt (§ 9 S. 2 AO). Bei Ablauf der Sechsmonatsfrist tritt die unbeschränkte Steuerpflicht ab Beginn des Aufenthalts im Inland ein. Entscheidend für die Berechnung des Fristbeginns bzw. des Fristendes sind die §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 HS. 1 BGB. Nicht erforderlich ist, dass der sechsmonatige Aufenthalt in ein und dasselbe Kalenderjahr fällt. Kurzfristige Unterbrechungen (z. B. Urlaub, Familienheimfahrten, Kur etc.) sind unbeachtlich. In Einzelfällen kann auch ein tatsächlicher Aufenthalt von weniger als sechs Monaten als nicht nur vorübergehend anzusehen sein, wenn der Steuerpflichtige die ursprüngliche Absicht hatte, sich über einen längeren Zeitraum (mehr als 6 Monate) im Inland aufzuhalten (BFH vom 30.08.1989, I R 212/85, BStBl. 1989 II S. 956).

Beispiel:

Ein ausländischer Arbeitnehmer reist am 10.11.01 nach Deutschland ein. Er nimmt ein Dienstverhältnis bei einer inländischen Firma auf und bleibt bis zum 20.5.02 in Deutschland, ohne dass er einen Wohnsitz im Inland begründet.

Lösung:

Der ausländische Arbeitnehmer ist ab dem 10.11.01 unbeschränkt steuerpflichtig, da er einen gewöhnlichen Aufenthalt (Voraussetzungen liegen vor) in Deutschland hat.

Merkbox:

9 S. 3 AO enthält eine Billigkeitsregelung. Danach gilt § 9 S. 2 AO (sechs Monate) nicht, wenn der Aufenthalt ausschließlich zu Besuchs-, Erholungs-, Kur- oder ähnlichen privaten Zwecken genommen wird und nicht länger als ein Jahr dauert.

Inland

Inland nach § 1 Abs. 1 EStG ist das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. Zum Inland gehören auch die Zollausschlüsse (Exklave Büsingen = BFH vom 13.04.1989, IV R 196/85, BStBl. 1989 II S. 614), Freihäfen und die Dreimeilenzone, ferner Handelsschiffe, die zur Führung der deutschen Flagge berechtigt sind. (s. a. H 1a „Schiffe“ EStH).

Zum Inland i. S. d. § 1 Abs. 1 S. 2 EStG gehört auch der der Bundesrepublik Deutschland zustehende Anteil

  1. an der ausschließlichen Wirtschaftszone, soweit dort

         a) die lebenden und nicht lebenden natürlichen Ressourcen der Gewässer über                      dem Meeresboden, des Meeresbodens und seines Untergrunds erforscht,                            ausgebeutet, erhalten oder bewirtschaftet werden,

         b) andere Tätigkeiten zur wirtschaftlichen Erforschung oder Ausbeutung der                            ausschließlichen Wirtschaftszone ausgeübt werden wie beispielsweise die                          Energieerzeugung aus Wasser, Strömung und Wind oder

         c) künstliche Inseln errichtet oder genutzt werden und Anlagen und Bauwerke für                  die in den Buchstaben a und b genannten Zwecke errichtet oder genutzt                              werden, und

 2. am Festlandsockel, soweit dort

          a) dessen natürliche Ressourcen erforscht oder ausgebeutet werden; natürliche                     Ressourcen in diesem Sinne sind die mineralischen und sonstigen nicht                               lebenden Ressourcen des Meeresbodens und seines Untergrunds sowie die zu                   den sesshaften Arten gehörenden Lebewesen, die im nutzbaren Stadium                             entweder unbeweglich auf oder unter dem Meeresboden verbleiben oder sich                   nur in ständigem körperlichem Kontakt mit dem Meeresboden oder seinem                       Untergrund fortbewegen können; oder

          b) künstliche Inseln errichtet oder genutzt werden und Anlagen und Bauwerke für                   die in Buchstabe a genannten Zwecke errichtet oder genutzt werden.

Umfang

Der unbeschränkt Steuerpflichtige ist grundsätzlich mit seinem gesamten „Welteinkommen“ steuerpflichtig, unabhängig davon, wo die Einkommensquellen belegen sind. Es gilt das Universalitätsprinzip. Die Staatsangehörigkeit des Steuerpflichtigen ist ohne Bedeutung.

Klausurhinweis (darf auswendig gelernt werden):

In den Klausuren wird häufig eine Einleitung verlangt, die wie folgt lauten könnte:

Herr/Frau ist/sind als natürliche Person/en unbeschränkt einkommensteuerpflichtig, weil er/sie seinen/ihren Wohnsitz gem. § 8 AO in (Ort) und/oder gewöhnlichen Aufenthalt (§ 9 AO) damit im Inland hat/haben gem. § 1 Abs. 1 S. 1 EStG. Der Einkommensteuer unterliegen sämtliche inländische und ausländische Einkünfte gem. § 2 Abs. 1 S. EStG; „Welteinkommen“. Ein ertragsteuerliches DBA, das den deutschen Besteuerungsanspruch einschränken könnte gem. § 2 Abs. 1 AO, ist nach dem Sachverhalt zu (nicht) beachten.

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